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Das Netz der Zukunft: Transport von Wasserstoff in Deutschland

28.09.2023

Auf dem Weg zur Wasserstoffwirtschaft benötigt Deutschland ein riesiges Netz an Transportleitungen. Zentrale Grundlage dafür ist das bereits bestehende Gasnetz. Wie könnte das Wasserstoffnetz der Zukunft aussehen und wen bindet es an?

Neue Technologien brauchen neue Infrastruktur. Die Bahn brauchte zunächst ein Schienennetz, bevor sie fahren konnte, für Strom musste ein Netz aus Leitungen gebaut werden und für den Mobilfunk ein Netz aus Masten. Jetzt soll Wasserstoff schon bald in großen Mengen überall in Deutschland verfügbar sein. Muss dafür einmal das gesamte Land umgegraben und mit neuen Leitungen ausgerüstet werden?

Deutsche Gasleitungen sind bereit für Wasserstoff

Die Antwort darauf lautet: Nein – denn Wasserstoff ist ein Gas und ein Gasnetz hat Deutschland bereits. Laut einer aktuellen Studie sind Deutschlands Gasleitungen schon heute in der Lage, Wasserstoff zu transportieren. Die Studie des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und des Gastransporteurs Open Grid Europe (OGE) räumt damit jahrelange Bedenken aus, dass Wasserstoff den Stahl in den Leitungen verspröden könnte. Auf Basis dieser Ergebnisse sind die Erdgasleitungen gut auf einen Transport von Wasserstoff vorbereitet, aber es müssen noch weitere Untersuchungen, unter anderem an Reglern und Armaturen, vorgenommen werden. Denn genau wie beispielsweise zum Bahnnetz mehr als nur Schienen gehören, besteht das Gasnetz aus mehr als nur Leitungen. Jedoch ist das Ergebnis eine wichtige Grundlage, um jetzt erste Schritte zur Umstellung vorzunehmen.

Vom Gasnetz zum Wasserstoffnetz

Für die Umstellung des bisherigen Netzes rechnen die Autoren mit einem benötigten Investitionsvolumen von rund 30 Milliarden Euro. Was nach viel Geld klingt, ist bei näherer Betrachtung ein Schnäppchen: Das deutsche Gasnetz umfasst eine Länge von mehr als einer halben Million Kilometer. Ein Leitungsnetz für den Transport von Wasserstoff neu zu errichten, würde viele Jahrzehnte dauern und hunderte Milliarden verschlingen. Das bestehende Gasnetz bietet also die Chance, die Herausforderung „Transport“ auf dem Weg zur Wasserstoffwirtschaft schnell und vergleichsweise kostengünstig zu bewältigen.

Auf dem Weg zur Wasserstoffwirtschaft

Sind damit also alle Herausforderungen gelöst? Noch nicht, denn das bestehende Gasnetz wird auf Jahre hinaus für Erdgas benötigt, wobei Wasserstoff in manchen Landesteilen bereits in kleinen Anteilen beigemischt wird. Denn Untersuchungen zeigen, dass viele Geräte in deutschen Haushalten ohne Probleme mit bis zu 30 Prozent Wasserstoff betrieben werden können. In einem Teilnetz in Sachsen-Anhalt wurden schon rund 20 Prozent Wasserstoff beigemischt, bei Heilbronn erhält eine Nachbarschaft schrittweise bis zu 30 Prozent Wasserstoff. Außerdem soll Wasserstoff nicht erst an „Tag X“ einfach Erdgas ersetzen, sondern bereits so bald wie möglich an den verschiedensten Stellen in Deutschland zum Einsatz kommen. Das heißt zunächst in der Industrie, als nächstes aber auch im öffentlichen Verkehr, zur Stromerzeugung oder zum Heizen. Viele zukünftige Abnehmer sind noch nicht oder nicht ausreichend an ein mögliches Wasserstoffnetz angeschlossen. Es geht also darum, nicht nur das bestehende Netz umzustellen, sondern auch darum, dieses bedarfsgerecht aus- und umzubauen.

Neue Leitungen für neue Abnehmer

Warum das notwendig ist, zeigt die deutsche Stahlbranche. Sie ist für ein Drittel aller CO2-Emissionen der deutschen Industrie verantwortlich. Um diese Emissionen zu mindern und wettbewerbsfähig zu bleiben, planen Stahlhersteller umzusteigen – von Kohle auf Wasserstoff. Die großen CO2-Emissionen lassen bereits erahnen, welche gewaltigen Energiemengen zur Stahlproduktion benötigt werden. Dementsprechend groß muss zur Versorgung dieser Kunden auch die Kapazität der Wasserstoffinfrastruktur sein – was das heutige Gasnetz noch nicht leisten kann. Zudem wird das Gasnetz an vielen Stellen noch für längere Zeit gebraucht. In der Praxis müssten in der Übergangsphase Gas- und Wasserstoffnetz parallel betrieben werden.

Erstes Wasserstoffnetz bis 2030

Die großen Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) haben sich zusammengeschlossen, um bis 2030 schrittweise ein mehr als 5.000 Kilometer langes, separates Wasserstoffnetz aufzubauen. Dafür greifen die Betreiber größtenteils auf bestehende Leitungen zurück und teilweise werden neue gebaut. Dieses Netz bindet Großverbraucher wie Raffinerien, die chemische Industrie sowie Stahlwerke an. Zur Anpassung von Angebot und Bedarf werden auch Untergrundspeicher für Wasserstoff geplant. Indem die Wasserstoffwirtschaft zuerst bei den großen Verbrauchern wie der Industrie Realität wird, nimmt diese Technologie einen gewaltigen ersten Schritt. Großes Interesse zeigen jedoch auch andere Abnehmer wie Stadtwerke, die damit Wärmekraftwerke betreiben möchten oder Transportunternehmen, welche an Wasserstofftankstellen Lkw betanken könnten.

Zuerst Großverbraucher, dann Privatverbraucher

Die Wasserstoffwirtschaft kommt also zuerst bei den großen Abnehmern – den Ankerkunden – an, und das direkt mit hohen Wasserstoffmengen. Denn hier ist die Investitionssicherheit deutlich höher und auch der Aufbau der Infrastruktur gestaltet sich einfacher, da nicht wie bei Privatverbrauchern erst komplexe Leitungsnetze umgestellt werden müssen. Gerade im Bereich Verkehr, ist Wasserstoff zudem eine wichtige Alternative zum batterieelektrischen Antrieb. Die Bundesregierung rechnet damit, dass Wasserstoff besonders für den Schwerlast-, Flug- und Schiffsverkehr wichtig wird. Am Ende könnten die großen Abnehmer der Motor dafür sein, dass Wasserstoff flächendeckend auch für Privatverbraucher zur Verfügung steht.