Im Zuge der Energiekrise übernahm im November letzten Jahres der Bund alle Anteile an der SEFE Securing Energy for Europe (SEFE). Die ausbleibenden russischen Gaslieferungen mussten an den europäischen und globalen Handelsmärkten, zu einem Vielfachen des ursprünglich vereinbarten Lieferpreises, neu beschafft werden. Diese Ersatzbeschaffungen konnten zum Teil über Pipeline-Gas aus Norwegen und den Niederlanden substituiert werden, aber auch globale LNG-Lieferungen machten in 2022 bereits 10 Prozent des SEFE-Beschaffungsportfolios aus und sollen in 2023 weiter auf 20 Prozent ausgebaut werden.
Durch den Zugang zu Kapazitäten an europäischen LNG-Terminals, wie zum Beispiel in Dunkerque, Frankreich und dem Hanseatic Terminal in Stade sowie LNG-Lieferungen über den niederländischen Energiehändler Trafigura, konnte die SEFE ihr Portfolio weiter diversifizieren und damit einen wichtigen Beitrag für die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa leisten.
Schaffung großer LNG-Kapazitäten am Beispiel Deutschland
Vor dem Hintergrund der ausbleibenden russischen Gaslieferungen werden in Deutschland aktuell im Eiltempo mehrere LNG-Terminals und die entsprechenden Anbindungsleitungen errichtet. Seit Mitte Dezember liefern LNG-Tanker über Wilhelmshaven erstes Flüssigerdgas an. Weitere Terminals entstehen in Stade, Brunsbüttel und Lubmin. Auch die osteuropäischen EU-Länder – historisch bedingt besonders abhängig von russischen Gaslieferungen – bauen ihre LNG-Infrastruktur aus. Schon seit 2014 importiert beispielsweise Litauen in Klaipėda große Mengen LNG und versorgt so das gesamte Baltikum mit Erdgas. Polen verdoppelt gerade die Kapazitäten seines LNG-Terminals in Świnoujście – auch um darüber Tschechien und die Slowakei zu beliefern.
In Zukunft wird der Anteil von LNG an der europäischen Gasversorgung weiter spürbar ansteigen. Bereits heute ist die EU laut dem Europäischen Rat der größte Importeur von LNG weltweit1. 2022 haben die Mitgliedsstaaten insgesamt rund 123 Milliarden Kubikmeter2 LNG importiert. Allein bis September importierten die EU-Länder mehr LNG als im bisherigen Rekordjahr 2019. So kann die EU aktuell rund 40 Prozent ihrer gesamten Gasnachfrage mit verflüssigtem Erdgas, das auf dem Seeweg aus den Erzeugerländern geliefert wurde, decken. In den kommenden Jahren könnte LNG sogar den größten Anteil der europäischen Gasversorgung ausmachen. Für Deutschland rechnen Fachleute damit, dass LNG in Zukunft rund ein Drittel des jährlichen Gesamtgasbedarfs decken wird.
Bedeutung von LNG nimmt weiter zu
Importierte die EU in den vergangenen Jahren noch rund die Hälfte ihres Gases aus Russland, sank dieser Anteil laut EU-Kommission schon im Sommer 2022 auf unter 20 Prozent, einige Länder haben ihre Importe aus Russland bereits jetzt vollständig substituiert. Das heißt: Alternative Lieferanten nehmen an Bedeutung zu. So baut Norwegen gerade seine Rolle als wichtigster Lieferant von Pipeline-Gas in die EU aus. In 2022 stieg in Deutschland beispielsweise der Anteil norwegischer Importe an der Gasversorgung auf rund 30 Prozent. Auch die Rolle von Algerien als Gaslieferant nimmt in Europa zu. Neben LNG werden auch große Mengen Pipeline-Gas in Richtung Spanien und Italien exportiert.
Mit dem Rückgang der Erdgasimporte über Pipelines wird LNG zukünftig der zentrale Baustein europäischer Gasversorgung. Damit machen die EU-Länder ihre Gasversorgung deutlich flexibler, diversifizierter und zukunftssicherer. Denn LNG erhalten die Mitglieder bereits heute aus einer Vielzahl von Ländern auf der ganzen Welt. Die USA sind aktuell mit Abstand wichtigster Lieferant und werden es aller Voraussicht nach auch bleiben, so eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln. Weitere Mengen erhält die EU beispielsweise aus Katar oder Nigeria, wie auch aus Peru oder Australien3.
LNG-Infrastruktur bedeutsam für Umstieg auf erneuerbare Energien
Wenngleich aktuell der Fokus in der EU auf dem weiteren Ausbau der LNG-Importkapazitäten liegt, bleibt fossiles Gas auch in verflüssigter Form eine Brückentechnologie hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung. Die aktuell entstehende LNG-Infrastruktur kann auch für „grüne“ Gase wie Wasserstoff genutzt werden. Am Terminal in Wilhelmshaven soll zukünftig eine Drehscheibe für „grüne“ Gase entstehen. Die dortige Anbindungsleitung ist bereits H2-ready. Somit werden aktuell wichtige Rahmenbedingungen geschaffen, sodass der Umstieg auf CO2-arme Energieträger in allen Sektoren beschleunigt werden kann. Mit Blick auf die Transformation der Energiewirtschaft versteht sich die SEFE-Gruppe als Wegbereiter der Energiewende und hat zu Beginn des Jahres eine Absichtserklärung mit dem norwegischen Unternehmen Gen2 Energy zur Lieferung von grünem Wasserstoff unterzeichnet. Ein entscheidender und strategischer Schritt, um in Zukunft die Versorgung der Kunden in Deutschland und Europa nicht nur mit Erdgas und LNG sicherzustellen, sondern auch mit grünem Wasserstoff.
Sowohl die vorhandene als auch die aktuell entstehende LNG-Infrastruktur kann Deutschland und den EU-Staaten auf lange Sicht Unabhängigkeit verschaffen. Zusätzliche Möglichkeiten zur Diversifizierung der Energieversorgung ergeben sich auch, indem sie den Ausbau von regional erzeugtem Biogas stärken, mehr Power-to-Gas-Anlagen errichten, die Versorgungsinfrastruktur zügig auf Wasserstoff umstellen sowie mehr Wasserstoff-Terminals bauen. So schließt Deutschland durch den aktuellen Ausbau der LNG-Infrastruktur zum einen die Lücke in der Erdgasversorgung und geht zum anderen einen wichtigen Schritt in Richtung nachhaltiger und klimaneutraler Zukunft in Europa.