Für die Bundesregierung gilt Wasserstoff als ein Schlüsselelement zur erfolgreichen Gestaltung der Energiewende. Damit die verschiedenen Bedarfe an Wasserstoff und wasserstoffbasierten Energieträgern in den Bereichen Industrie, Verkehr, Strom und Wärme auch gedeckt werden können, plant die Regierung nicht nur die inländische Wasserstofferzeugung hochzufahren, sondern auch die Erschließung von Importkanälen mit europäischen und außereuropäischen Partnerländern. So soll sichergestellt werden, dass in Zukunft ausreichend Wasserstoff bereitsteht, und die Dekarbonisierung in Deutschland vorangetrieben werden kann.
Wie hoch ist Deutschlands Wasserstoffbedarf?
Derzeit liegt der Wasserstoffbedarf in Deutschland bei 55 TWh pro Jahr und wird bisher überwiegend mit aus Erdgas gewonnenem Wasserstoff gedeckt. Die Bundesregierung geht in der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) davon aus, dass dieser Bedarf in den nächsten Jahren allerdings deutlich steigen wird. Für das Jahr 2030 wird ein Gesamtwasserstoffbedarf in Höhe von etwa 95 bis 130 Terawattstunden (TWh) erwartet. Das entspricht mehr als einem Zehntel des Energiebedarfs, der heute in Deutschland durch Erdgas gedeckt wird. Bis zum Jahr 2045 gehen die Szenarien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zudem von einer weiter steigenden Wasserstoffnachfrage in Deutschland aus. So schätzt das BMWK etwa allein für den Stromsektor einen Wasserstoffbedarf von 80 bis 100 TWh, während für die Industrie bis 2045 sogar ein Bedarf von 290 bis 440 TWh erwartet wird.
Die Wasserstoff-Farbenlehre
Für Wasserstoff gibt es verschiedene Herstellungsmöglichkeiten. Vor dem Hintergrund der mit der Energiewende einhergehenden Dekarbonisierung liegt der Fokus der verschiedenen Verfahren jedoch auf ihrem Carbon Footprint sowie der Herkunft der Ausgangsstoffe. Zwar ist Wasserstoff selbst ein farbloses Gas, je nach Herstellungsverfahren werden aber verschiedene Wasserstoff-Farben unterschieden. Zu den wichtigsten Farben gehören: grün, türkis, blau und grau.
Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für die Elektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Unabhängig von der gewählten Elektrolysetechnologie erfolgt die Produktion von Wasserstoff CO2-frei, da der eingesetzte Strom zu 100 % aus erneuerbaren Quellen stammt.
Türkiser Wasserstoff ist Wasserstoff, der über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt wird. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff, der nicht mehr in die Atmosphäre entweichen kann. Voraussetzungen für die CO2-Neutralität des Verfahrens sind die Energieversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen sowie die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs.
Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. In der Regel wird bei der Herstellung Erdgas mit Wasserdampf unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt (Dampfreformierung). Das CO2 wird bei diesem Verfahren in die Atmosphäre abgegeben, das Verfahren zeigt somit einen deutlichen Carbon Footprint: Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen rund 10 Tonnen CO2.
Blauer Wasserstoff hingegen ist grauer Wasserstoff, dessen CO2 bei der Produktion abgeschieden und gespeichert wird (engl. Carbon Capture and Storage, CCS). Das bei der Wasserstoffproduktion erzeugte CO2 gelangt also nicht in die Atmosphäre und die Wasserstoffproduktion kann bilanziell als CO2-neutral betrachtet werden.
Um einen schnellen Aufbau und Hochlauf des Wasserstoffmarktes sicherzustellen und die erwarteten Bedarfe, insbesondere in der Transformationsphase, zu decken, plant die Regierung neben grünem Wasserstoff auch andere Wasserstofffarben zu nutzen. Zwar ist klimaneutraler grüner Wasserstoff die erste (allerdings zurzeit auch teuerste) Wahl, jedoch sollen unter anderem auch türkiser und blauer Wasserstoff – unter Einhaltung hochgesteckter Grenzwerte für Treibhausgasemissionen – zum Einsatz kommen.
Ausbau der heimischen Wasserstoffproduktion
Der derzeit überwiegend aus Erdgas erzeugte Wasserstoff soll in den nächsten Jahren zunehmend durch die Produktion von grünem Wasserstoff ergänzt bzw. substituiert werden. In ihrer Wasserstoffstrategie hält die Bundesregierung fest, dass die heimische Elektrolysekapazität bis zum Jahr 2030 auf mindestens 10 Gigawatt (GW) erhöht werden soll. Mit diesen 10 GW lassen sich jährlich ca. 28 bis 35 TWh Wasserstoff produzieren. So möchte Deutschland eine gesicherte Bedarfsdeckung mit kurzen Transportwegen gewährleisten und eine Grundlage für einen Heimatmarkt schaffen, der alle Wertschöpfungsstufen, von der Produktion über die Distribution bis zur Vermarktung, erfasst. Generell sind sich deutsche Energieversorger und Experten einig, dass die enorm stromintensive Produktion von grünem Wasserstoff nur dann wirtschaftlich ist, wenn die Kosten für den Einsatz erneuerbarer Energien wie Wind und Sonne weiter sinken. Hinzu kommt die bei weitem noch nicht abgeschlossene „grüne“ Transformation der Stromerzeugung in Deutschland, bei gleichzeitig wachsendem Strombedarf in allen Sektoren. Die Wasserstoffproduktion muss dann ebenfalls um die erneuerbaren Energien konkurrieren. Eine vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW e.V. in Auftrag gegebene Studie von Juli 2023 legt aber auch nahe, dass heimischer grüner Wasserstoff mittlerweile konkurrenzfähiger als noch vor wenigen Jahren ist. Insbesondere im Vergleich zu Schiffstransporten aus weit entfernen Weltregionen könnte die inländische Produktion eine deutlich wirtschaftlichere Alternative darstellen. Grund dafür sind vor allem die gesunkenen Investitionskosten für Elektrolyseure.
Wasserstoffimport per Pipeline und Schiff
Da die inländische Elektrolyse nur einen Teil des in den nächsten Jahren benötigten Wasserstoffs in Deutschland bereitstellen kann, fällt dem Import von Wasserstoff eine entscheidende Rolle zu. Rund 50 bis 70 Prozent des bis 2030 prognostizierten Bedarfs – das entspricht bis zu 90 TWh – sollen über Importe aus dem Ausland erfolgen. Generell kann der Import großer Wasserstoffmengen auf zwei Wege erfolgen: per Pipeline oder auf dem Seeweg. Der Pipelinetransport ist, insbesondere wenn er über das bestehende Gasnetz erfolgt, vergleichsweise kostengünstig. Da der Import über Pipelines jedoch nicht überall realisierbar ist, wird ein gewisser Teil des benötigten Wasserstoffs per Schiff importiert werden müssen. Der Schiffstransport von verflüssigtem Wasserstoff ist allerdings sehr aufwendig und teuer, sodass der Transport von Wasserstoff in gebundener Form als sog. Vektoren weitere und ggf. bessere Optionen darstellen. Hierbei kommen neben Ammoniak auch Liquid Organic Hydrogen Carriers (LOHC) in Frage.
Für die zukünftige Anlandung von Wasserstoff soll der Aufbau von Importterminals und der Ausbau der Wasserstofftransportinfrastruktur in Häfen beschleunigt werden. Eine wichtige Funktion haben in diesem Zusammenhang die derzeit entstehenden Terminals für LNG (Liquified Natural Gas). Sie sollen so errichtet werden, dass sie „H2-ready“, also mit geringem wirtschaftlichem Aufwand umrüstbar auf Ammoniak sind. Mit dem im Dezember letzten Jahres errichteten LNG-Terminal in Wilhelmshaven wurde diesbezüglich bereits ein Anfang gemacht, ein zweites LNG-Terminal in Wilhelmshaven soll noch in diesem Jahr entstehen.
Partnerländer Norwegen und Dänemark
Aus Sicht der NWS soll der Import von Wasserstoff und insbesondere seinen Derivaten bis 2030 größtenteils schiffsbasiert erfolgen, trotz hoher Kosten für den Aufbau einer Schiffsinfrastruktur bei möglicherweise eher kurzen Nutzungszeiten. Denn nach 2030 soll der pipelinebasierte Import von grünem Wasserstoff aus Europa und angrenzenden Regionen immer stärker ausgebaut werden. Kurzfristig spielt der NWS zufolge vor allem der Transport von Ammoniak eine Rolle, während mittel- bis langfristig Importe von grünem Methan, synthetischem Methanol, LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) und flüssigem Wasserstoff wichtiger werden.
Innerhalb der EU ist der Austausch über Pipelineprojekte insbesondere mit Norwegen und Dänemark bereits weiter fortgeschritten. Gerade für die Phase des Markthochlaufs dürfte vor allem blauer Wasserstoff über Importe aus Norwegen eine große Rolle spielen. So hatte Robert Habeck letztes Jahr eine deutsch-norwegische Absichtserklärung unterzeichnet, in der man sich darauf einigte, unter Beteiligung der Energiekonzerne RWE und Equinor aus Norwegen, eine Pipeline durch die Nordsee zu bauen. Die Pipeline soll zunächst noch blauen Wasserstoff transportieren, anschließend soll grüner folgen.
Auch bei SEFE ist man jüngst eine ähnliche Kooperation mit dem norwegischen Unternehmen Gen2 Energy eingegangen, das sich auf Entwicklung, Bau, Instandhaltung und Betrieb einer Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff spezialisiert hat. Das Unternehmen strebt die Entwicklung mehrerer großer Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff in Norwegen und Nordeuropa an. Ziel der deutsch-norwegischen Zusammenarbeit ist es, dass Gen2 Energy grünen Wasserstoff aus der Produktionsanlage im norwegischen Mosjøen liefert und SEFE den grünen Energieträger an Kunden auf dem deutschen und nordwesteuropäischen Markt liefert.