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Wasserstoff in Aktion: Die größten Potenziale

13.11.2023

Die Nutzung von Wasserstoff als speicherbarer Energieträger rückt in Deutschland zunehmend in den Fokus. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und werden bereits in einigen Sektoren genutzt. Wo und in welchem Umfang Wasserstoff zukünftig als Energieträger eingesetzt wird, hängt vor allem von seiner Verfügbarkeit und der gegebenen Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu den Alternativen ab.

Breites Anwendungsfeld

Die Bundesregierung sieht in klimafreundlichem Wasserstoff einen unverzichtbaren Alternativ-Baustein zu fossilen Energieträgern und ein Schlüsselelement für den Erfolg der Energiewende. In der Fortschreibung ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) vom Juli 2024 erklärte die Regierung, dass Wasserstoff und seine Derivate (gemeint sind gasförmige oder flüssige Energieträger auf Basis von grünem Wasserstoff wie Ammoniak oder Methan) bis 2030 primär in industriellen Anwendungen und im Verkehr eingesetzt werden sollen. Auch in der Stromerzeugung wird Wasserstoff in einer auf erneuerbaren Energien basierenden Energieversorgung eine Rolle spielen: Im Gegensatz zu Strom ist er ein in großen Mengen speicherbarer Energieträger, der das wechselhafte Energieangebot von Sonne und Wind ausgleichen kann. Ebenfalls möglich ist eine Anwendung im Wärmemarkt, dies wird jedoch bis 2030 nur in sehr geringem Umfang erfolgen. Dem Umweltbundesamt zufolge ist der Einsatz von Wasserstoff vor allem dort sinnvoll, wo es technisch nicht möglich ist, erneuerbare Energien sowie erneuerbaren Strom direkt zu nutzen.

Dekarbonisierung der Industrie

Generell kann Wasserstoff in industriellen Prozessen auf drei verschiedene Arten eingesetzt werden: zur Erzeugung von Prozesswärme, als Rohstoff, z. B. für die Ammoniak- oder Methanolproduktion, und als Reduktionsmittel, z. B. bei der Stahlproduktion oder der Verarbeitung von Rohöl in Raffinerien. Prozesswärme wird für bestimmte technische Prozesse zur Herstellung oder Weiterverarbeitung von wichtigen Produkten, z. B. in der Metall-, Glas, oder Keramikindustrie, benötigt. Insbesondere bei Hochtemperaturprozessen von bis zu deutlich über 1.000 Grad Celsius kann die Verwendung von klimafreundlichem Wasserstoff einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten. Des Weiteren kann Wasserstoff als Feedstock für synthetische Kraftstoffe und die chemische Industrie, etwa bei der Düngemittelproduktion, dienen. Ein drittes Anwendungsfeld, in dem mit Wasserstoff große Mengen Kohlenstoffdioxid eingespart werden kann, ist die Stahlerzeugung mit dem Verfahren der Direktreduktion und die Aufarbeitung von Ölprodukten in Raffinerien.
Im Vergleich dazu gestaltet sich die Dekarbonisierung der Zementherstellung deutlich schwieriger. Unabhängig vom eingesetzten Energieträger entsteht ein Teil des bei der Zementherstellung freigesetzten CO2 aus den eingesetzten Rohstoffen und kann somit nicht vermieden werden. Für die Produktion von klimaneutralem Zement wäre somit zusätzlich auch die Abscheidung, Speicherung und Lagerung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) nötig.

Dass der Umstellungsprozess in der Stahlindustrie bereits in vollem Gange ist, zeigt etwa ein Blick auf Deutschlands größten Stahlproduzenten Thyssenkrupp. Mit Hilfe von Fördermitteln des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen plant das Unternehmen seine vier kohlebefeuerten Hochöfen in Duisburg durch sogenannte Direktreduktionsanlagen zu ersetzen, die mit Erdgas und zunehmend auch mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Auch wenn die Herstellung von klimaneutralem Stahl zunächst noch teurer ist als die konventionelle Stahlerzeugung, wird letztere perspektivisch keine wirtschaftliche Alternative mehr darstellen. Grund dafür sind vor allem die hohen CO2 -Emissionen der Stahlproduktion: Pro Tonne Stahl werden 1,7 Tonnen CO2 emittiert. Darüber hinaus machen die steigenden Preise für CO2-Emissionsrechte in Europa und die schrumpfende Menge an kostenlos zugeteilten Zertifikaten die konventionelle Stahlproduktion unwirtschaftlicher.

Mit Wasserstoff zur klimafreundlichen Mobilität

Im Verkehr wird Wasserstoff primär bei schweren Nutzfahrzeugen wie Lkw sowie im Luft- und Schiffsverkehr zum Einsatz kommen. Neben einer direkten Nutzung von Wasserstoff als Kraftstoff sollen insbesondere die Produktion und der Einsatz von auf grünem Wasserstoff basierenden Kraftstoffen (E-Fuels) beschleunigt werden. In Bezug auf den allgemeinen Straßenverkehr wird in der NWS festgehalten, dass die Versorgung einer bedarfsgerecht aufgebauten Betankungsinfrastruktur gesichert werden soll. Ob es in Deutschland auch zum Aufbau einer flächendeckenden Wasserstoff-Infrastruktur für Pkw kommen wird, lässt sich bislang nur schwer beurteilen. Verschiedene Studien zeigen allerdings auf, dass Elektroautos im direkten Vergleich zu Wasserstofffahrzeugen deutlich besser abschneiden – sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht. Ein weiterer Anwendungsbereich für Wasserstoff könnte der Zugverkehr sein. Hier arbeitet etwa die Deutsche Bahn mit ihrem Projekt „H2goesRail“ an Lösungen und möchte den Probebetrieb im Jahr 2024 starten.

Wichtige Nebenrollen im Strom- und Wärmesektor

Im Stromsektor hat Wasserstoff eine ergänzende Funktion und dient laut NWS zur Sicherung der Energieversorgung. Beim Einsatz in Gaskraftwerken und Brennstoffzellen kann er künftig die Stromversorgung sicherstellen, wenn Windkraft- und Photovoltaikanlagen witterungsbedingt nicht ausreichend Energie liefern können. Konkret sollen dafür Gaskraftwerke gebaut werden, die später auch Wasserstoff verstromen können, also „H2-ready“ sind. Zudem werden Elektrolyseure in das Stromnetz integriert. Insgesamt kann Wasserstoff damit bei Stromüberschuss flexibel erzeugt und bei Strombedarfsüberschuss rückverstromt werden.

Im Wärmesektor bestehen drei Möglichkeiten der Wasserstoffanwendung: das Nutzen der Abwärme eines Elektrolyseurs in Wärmenetzen, das Einspeisen von Wasserstoff in das bestehende Gasnetz oder der direkte Einsatz von Wasserstoff in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK). Hier wurde bereits im entsprechenden KWK-Gesetz aus dem letzten Jahr festgelegt, dass neue KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung von mindestens 10 MW nachweisen müssen, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden können. Allerdings ordnet die Wasserstoffstrategie dem Einsatz von Wasserstoff im Wärmesektor bis 2030 nur eine untergeordnete Rolle im Rahmen von Pilotprojekten zu. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass es für das Heizen von Gebäuden brennstofffreie und wirtschaftlichere Alternativen aus erneuerbaren Energien wie Solarthermie, Geothermie und Umweltwärme gibt. Anders sieht die Situation in der industriellen Prozesswärme aus: Während Raumwärme und Warmwasser relativ geringe Temperaturen nutzen, benötigen einige Prozesse z.B. in der Chemie- oder Glasindustrie Temperaturen von ca. 1.000 Grad Celsius, die über Wärmepumpen nur schwerlich zu erreichen sind.   

Fazit

Das Potenzial für die Nutzung von Wasserstoff in Deutschland ist hoch, die Schwerpunkte werden aber vorerst in der Industrie und im Verkehrssektor liegen. Hier kann kohlenstoffarm erzeugter Wasserstoff einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung leisten – beispielsweise in der Stahlindustrie oder im Schwerlastverkehr. Einen entscheidenden Einfluss bei den heutigen Weichenstellungen spielen nicht zuletzt die politischen Rahmenbedingungen wie die geplanten weiteren Kostensteigerungen für CO2-Emissionsrechte. Welche Rolle Wasserstoff im Stromsektor spielen wird, wird auch vom Bedarf an neuen Kraftwerkseinheiten zur Sicherung der Energieversorgung bei unzureichender Erzeugung durch erneuerbare Energien abhängen. Denn im Laufe des kommenden Jahrzehnts werden auch die aktuell noch vorhandenen Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Und im Wärmesektor steht Wasserstoff sicherlich auch langfristig im Systemwettbewerb mit den sich zunehmend verbreitenden Wärmepumpentechnologien- aber auch diese benötigen Strom, der klimaneutral in Kraftwerken erzeugt werden muss, wenn Erneuerbare Energien nicht ausreichend zur Verfügung stehen.