Sirko Beidatsch (Expert Gas Markets EEX) über den Weg zu einem wettbewerblichen Wasserstoffmarkt. Preisindizes erweisen sich auf den Energiemärkten in Zeiten volatiler Märkte als zunehmend wichtig. Eine bedeutende Rolle spielt dabei die European Energy Exchange AG (EEX) in Leipzig, eine führende Energiebörse in Europa.
Vision wettbewerblicher Wasserstoffmarkt – und welche Rolle Preisindizes dabei schon heute spielen
Die EXX betreibt und entwickelt die größte Handelsplattform für Strom in Europa und hat beispielsweise für den Gasmarkt Gaspreisindizes entwickelt, die heute Bestandteil vieler Gaslieferverträge sind. Die Erfahrungen aus den bestehenden Energiemärkten flossen vor wenigen Monaten auch in die Entwicklung eines neuen Preisindex für Wasserstoff ein. Er wird heute bereits von vielen Marktakteuren genutzt und soll ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem regulierten Markt sein.
Über die Erfahrungen mit Preisindizes und die Ziele für den Wasserstoffmarkt sprach unser Redaktionsteam mit Sirko Beidatsch, Expert Gas Markets bei der EEX.
Herr Beidatsch, die EEX bietet verschiedene Gaspreisindizes an, die in Gaslieferverträgen verwendet werden können. Welche sind die wichtigsten Indizes und wie haben sie sich in der Praxis bewährt?
Die Teilnehmer am Gasmarkt schätzen die von der EEX gebildeten Preisindizes wie den EEX European Gas Spot Index (EEX EGSI). Bei diesem Index handelt es sich um einen täglichen Index, der den Tagespreis für Erdgas an den verschiedenen virtuellen Handelspunkten in Europa (z.B. THE oder TTF) abbildet. Mit dem EEX Gas Index (EGIX) für Deutschland steht darüber hinaus ein monatlicher Index für den durchschnittlichen Erdgaspreis zur Verfügung.
Die Verwendung dieser Indizes trägt dazu bei, das Risiko von Preisschwankungen zu minimieren und die Preisfindung zu vereinfachen, indem sie als Referenzpunkte für die Preisfindung in Gaslieferverträgen verwendet werden – der Preis für das gelieferte Gas wird dann auf Basis des Indexwertes berechnet. Die genaue Berechnung hängt dabei von den spezifischen Vertragsbedingungen wie Preisformel, Lieferzeitraum, Liefermenge, Qualitätsanforderungen und Zahlungsbedingungen ab, die von den Marktteilnehmern individuell vereinbart werden.
Wie haben Sie das System der Preisindizes auf den Wasserstoffmarkt übertragen?
Bereits 2020 hat die EEX einen Wasserstoffarbeitskreis ins Leben gerufen, an dem sich inzwischen mehr als 70 Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der globalen Wasserstoffindustrie beteiligen. Gemeinsames Ziel ist es, schnellstmöglich transparente, nachhaltige und diskriminierungsfreie Handelsmärkte für Wasserstoff zu etablieren. Einer der ersten Schritte ist die Schaffung von Preistransparenz.
Heute gibt es zwar noch keinen außerbörslichen oder börslichen Handel mit Wasserstoff, aber bereits Preisindikationen aus bilateralen Lieferverträgen. Hierauf basiert der von uns entwickelte HYDRIX, der weltweit erste marktbasierte Preisindex der EEX für Wasserstoff: Namhafte und etablierte Marktteilnehmer aus der Industrie unterstützen uns bereits mit der Meldung von angebotenen bzw. abgeschlossenen Wasserstoffpreisen. Daraus berechnet die EEX wöchentlich den HYDRIX als Mittelwert von Angebot und Nachfrage. Der HYDRIX wird jeden Mittwoch, 16 Uhr, auf der EEX Transparenzplattform unter eex-transparency.com veröffentlicht. Er bezieht sich zunächst auf grünen Wasserstoff in Deutschland, soll aber später auf andere Farben und Regionen ausgeweitet werden. Weitere Marktteilnehmer können sich gerne registrieren und ihre Preiseinschätzungen – sicher und anonym – abgeben.
Wie profitieren Marktteilnehmer von HYDRIX?
Die Preistransparenz für Wasserstoff als Handelsprodukt unterstützt den Markthochlauf von Wasserstoff, indem sie allen Beteiligten Sicherheit gibt. Bereits heute orientieren sich Marktteilnehmer aus Chile, Australien und anderen Regionen der Welt am HYDRIX. Dieser Preisindex dient als wichtiges Preissignal für Marktteilnehmer, Regulatoren und politische Entscheidungsträger, um bestehende und neue Investitionen und Handelsgeschäfte marktbasiert bewerten zu können. Denn die Preissignale kommen direkt aus dem Wasserstoffmarkt und werden nicht indirekt und ausschließlich über H2-Substitute (z.B. Strom, Erdgas) abgeleitet. Darüber hinaus ist HYDRIX ein Maßstab für die direkte Vergleichbarkeit von Wasserstoffpreisen in €/MWh mit notierten Gas- und Strompreisen und schafft mehr Transparenz über aktuelle und historische Preisentwicklungen von Wasserstoff.
Was ist als nächstes geplant?
Ein wesentliches Ziel der EEX ist es, gemeinsam mit unseren Kunden Märkte auf- und auszubauen. Im Strom- und Gasbereich tun wir das seit vielen Jahren sehr erfolgreich, im Wasserstoffbereich stehen wir am Anfang einer sehr spannenden Entwicklung. Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern im Wasserstoffarbeitskreis an der Standardisierung von Produkten und Prozessen für den Handel mit Wasserstoff und Derivaten. Der nächste Schritt ist der sukzessive Aufbau einer Handelsplattform für Wasserstoff.
Wir haben eine Plattform entwickelt, die es zukünftig öffentlichen und privaten Akteuren ermöglichen soll, Auktionen und andere Handelsformate für Wasserstoff und seine Derivate technisch umzusetzen. Mit dem Leipziger Unternehmen Hintco, einem Tochterunternehmen der H2Global Stiftung, hat die EEX bereits den ersten Kunden für die Nutzung der Plattform gewonnen. Das H2Global-Instrument sieht den An- und Verkauf von regenerativ erzeugtem Wasserstoff bzw. Wasserstoffderivaten auf Basis eines wettbewerbsbasierten Bieterverfahrens vor. Dabei werden langfristige Abnahmeverträge abgeschlossen, die den Produzenten die bisher fehlende Investitionssicherheit bieten. Erste Auktionen der Hintco über die Wasserstoffplattform der EEX könnten bereits Ende 2024 stattfinden. Langfristiges Ziel ist es, den Marktteilnehmern einen wettbewerblichen Markt für den börslichen Handel anzubieten. Definierte Clearingmechanismen über unsere Tochtergesellschaft ECC können dann für noch mehr Preis-, aber auch Versorgungssicherheit sorgen.
Was bringt diese Initiative für die EEX selbst?
Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Energiewende voranzutreiben und mitzugestalten. Der Wasserstoffmarkt wird eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft spielen – in Deutschland, in Europa und in vielen anderen Regionen der Welt. Unsere Aktivitäten im Bereich Wasserstoff sind eine langfristige Investition in den Markt. Wir freuen uns, dass wir mit unseren Erfahrungen aus anderen Märkten schon jetzt dazu beitragen können, den Hochlauf von Wasserstoff zu unterstützen. Wir erwarten hier mittelfristig ein starkes Wachstum, das wir frühzeitig mit bewährten Strukturen und Sicherheitsmechanismen begleiten können.
